Geraubte Mitte
Das Stadtmuseum Berlin erinnert anlässlich des Themenjahres „Zerstörte Vielfalt“ an den staatlichen Raubzug gegen Berliner Juden ab 1933 im historischen Stadtkern. Dass von den 1.200 hier vorhandenen Grundstücken mindestens 225 in jüdischem Besitz gewesen sind, ist kaum bekannt. Weder Gedenktafeln noch Stolpersteine erinnern an einzelne Schicksale.
Wem gehörte einst die Mitte Berlins?
Die in der Ausstellung dokumentierten Verfolgungsgeschichten von fünf enteigneten, ins Ausland vertriebenen oder ermordeten Familien stehen dabei exemplarisch für die vielen anderen jüdischen Eigentümer. Sie machen die besondere Verantwortung deutlich, die mit künftigen städtebaulichen Entscheidungen für das Berliner Zentrum verbunden bleiben muss. Über eine Datenbank können alle „arisierten“ Grundstücke individuell recherchiert werden. Ein Epilog fragt nach dem Umgang mit den betroffenen Grundstücken nach 1945 und auch nach der vom Senat gegenwärtig beabsichtigten Wiederbebauung des Stadtkerns.
Der Ausstellungsrundgang im Ephraim-Palais ist von wandfüllenden Großprints mit Berliner Straßenszenen der 1930er Jahre geprägt, die den Besucherinnen und Besuchern frappierend realistische Einblicke in das Wilhelminische Berlin, den radikalen nationalsozialistischen Stadtumbau sowie die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs vermitteln. Raumhohe Luftbilder unterschiedlicher Zeitschnitte kommen hinzu. Unterstrichen wird diese Inszenierung durch die Allgegenwart von Symbolen eines Verwaltungsapparates, der die perfiden Gesetze der Nationalsozialisten akribisch umsetzte. So sind es am Ende auch Karteikarten, anhand derer sich die ausgewählten Schicksale entlang der chronologisch geordneten Themen weiterverfolgen lassen:
- Jüdisches Grundeigentum im Stadtkern vom Mittelalter bis 1933
- Die Altstadt nach der Machtübertragung 1933 bis 1935
- Altstadtsanierung und Judenverfolgung 1936 bis 1938
- Schicksale: Die Familien Gadiel, Berglas/Intrator und Freudenberg, Eugenie Fuchs und Alfred Panofsky
- „Welthauptstadt Germania“ und die „Entjudung“ des Grundbesitzes 1939 bis 1944
- Fazit nach zwölf Jahren Beraubung im Mai 1945
- Wiederaufbau und Wiedergutmachung? 1945 bis heute
Der Stadtkern Berlins ziwschen Alexander- und Schlossplatz steht seit dem Mauerfall im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Seine künftige Gestalt ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. Dabei wird häufig übersehen, dass es sich hier um den ältesten Teil der Stadt, den Kern der heutigen Metropole, handelt. Es gibt kaum einen geschichtsträchtigeren Ort in Berlin. Historische Zeugnisse gingen durch Krieg und Nachkriegszeit weitgehend verloren. Lediglich einzelne Bauten wie die Marien- und Nikolaikirche oder das Rote Rathaus künden noch von regem städtischen Leben und der baulichen Vielfalt der Altstadt.
Ephraim-Palais | ab 04.09.2013
Adresse Poststraße 16 | 10178 Berlin
Infoline Tel. (030) 24 002–162 | info@stadtmuseum.de
Laufzeit 04.09.2013 bis 19.01.2014