Altes Handwerk
Das Museumsdorf Düppel ist ein lebendiger Ort. Altes Handwerk wird hier vorgeführt, die Dorfanlage erweitert und instandgehalten, der Alltag der Menschen nachgelebt, die vor 800 Jahren hier siedelten. Denn das Freilichtmuseum zeigt und bewahrt nicht nur rekonstruierte Häuser und unbelebte Gegenstände, sondern auch das Wissen einer lang vergangenen Zeit.
Alte Handwerkstechniken zu pflegen und vorzuführen ist nicht nur eine Attraktion für das Publikum. Es trägt auch dazu bei, ein immaterielles – nicht an Gegenstände gebundenes – Kulturerbe zu erhalten. Ein Kulturerbe, das sich nicht in eine Vitrine stellen lässt. Dabei geht es um Kenntnisse, die nur im Kopf und Körper der Ausführenden stecken: etwa wie man ein Gefäß töpfert oder mit Schilfrohr ein Reetdach deckt.
Das Reetdach eines rekonstruierten Hauses im Freilichtmuseum wird nach alter Handwerkskunst neu mit Schilf gedeckt. © Stadtmuseum Berlin | Foto: Julia Heeb
In der Handwerksforschung spricht man dabei von „implizitem Wissen“ – einem Wissen, dass man nicht mit Worten beschreiben, sondern nur durch Anwendung sichtbar machen kann. Natürlich gibt es im Handwerk auch explizites Wissen, also aufgezeichnete Informationen, zum Beispiel in Form eines Textes oder eines Films. Aber ohne das „Körperwissen“ über ihre Umsetzung sind diese Informationen wertlos.
Arbeitsgruppen geben Wissen weiter
Ähnlich wie Fahrradfahren lässt sich handwerkliches Wissen nicht erklären. Man muss es ausprobieren und am eigenen Leib erfahren. Einmal erlernt, ist es kaum noch zu verlernen. Während man jedoch das Fahrradfahren relativ schnell beherrscht, erfordern die meisten Handwerke jahrelange Übung und Erfahrung, um gute Ergebnisse zu erzielen.
Dank des Fördervereins des Museumsdorf Düppel gibt es im Freilichtmuseum seit den 1970er Jahren eine ganze Reihe von Arbeitsgruppen, in denen handwerkliches Wissen weitergegeben wird. Die praktische Anwendung ist die einzige Möglichkeit, die alten Handwerkstechniken zu erhalten. Ähnlich wie bei der Erhaltung alter Nutzpflanzen, die im Freilichtmuseum Jahr für Jahr aufs Neue ausgesät werden müssen, um die genetische Vielfalt zu erhalten, muss das handwerkliche Wissen von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Ohne die ehrenamtliche Mitarbeit der Vereinsmitglieder wäre dies nicht möglich.
Digitale Dokumentation
Im Rahmen des EU-Projekts RETOLD wird im Freilichtmuseum dennoch versucht, Dokumentationsstrategien für Handwerkstechniken zu entwickeln. Diese Dokumentation soll und kann die praktische Weitergabe nicht ersetzen, aber ergänzen. Zudem eignet sich besonders die digitale Dokumentation in Bild und Ton dafür, auch Menschen zu erreichen, die nicht oder nur selten ins Museumsdorf Düppel kommen können. Und weit über die Grenzen Berlins hinaus kann sie dazu beitragen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie wichtig die praktische Weitergabe von handwerklichem Wissen ist.
Seit 2013 fördert die Deutsche UNESCO-Kommission die Weitergabe von überliefertem Wissen und Können. Im Bundesweiten Verzeichnis des Immaterielles Kulturerbes sind schon 23 Handwerke gelistet, von denen 6 auch im Museumsdorf Düppel ausgeführt und erhalten werden: die Teerschwelerei, die Köhlerei, das Flechten, das Drechseln, das Reetdachdecken und das Bierbrauen.
Auf dem Dorfplatz des Freilichtmuseums wird Bier gebraut. © Stadtmuseum Berlin | Foto: Julia Heeb
Diese und weitere Handwerke, wie das Schmieden und das Töpfern, werden an Wochenenden vor allem von den Mitgliedern des Fördervereins vorgeführt. Da dieses Engagement rein ehrenamtlich ist, können leider nicht alle Handwerke an jedem Wochenende vorgeführt werden. Vor allem projektbezogene Handwerke wie der Holzbau und das Reetdachdecken sind nur zu sehen, wenn aktuelle Bauarbeiten dies erfordern. Zu entdecken gibt es jedoch immer etwas – und wenn nicht in den Werkstätten, dann in den historischen Häusern und Gärten des Museums.
Kontakt
Dr. Julia Heeb
Sammlungskuratorin Archäologie
Museumsdorf Düppel