Die „Reichsbankmöbel“

Einblick in die Provenienzforschung

Seit 2008 betreibt die Stiftung Stadtmuseum Berlin systematische Provenienzforschung. Gefördert wurde dies durch die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste und das Land Berlin. Das Stadtmuseum Berlin kommt damit seiner Verpflichtung nach, seine Sammlungen auf die Rechtmäßigkeit der Erwerbungen zu überprüfen.

Zum „Tag der Provenienzforschung“ am 13. April 2022 geben die Provenienzforscherin Dr. Regina Stein und ihr Team Einblick in ein aktuelles Projekt am Haus.   

>>> English Version below // version française ci-dessous <<<

Der „Tag der Provenienzforschung“ ist für uns Anlass, auf ein Projekt hinter den Kulissen des Stadtmuseum Berlin hinzuweisen: unsere Provenienzforschung zur Herkunft der sogenannten „Reichsbankmöbel“ - 47 französische Antiquitäten des 18. und 19. Jahrhunderts. Sie sind teils kunstvoll verziert und bestehen aus bauchigen Kommoden und Schreibsekretären mit feinen Holzeinlagen und Bronzebeschlägen, bestickten Polstersesseln und Sofas mit kostbar gewebten Blumenmustern, meterlange Tische mit geschnitzten Randbordüren für üppige Festtafeln und vieles mehr. All diese Möbel gelangten Anfang der 1950er Jahre an das Märkische Museum, als Überweisung des Ministeriums für Finanzen der DDR. Sie liegen seither in unseren Depots. 

Doch, was haben französische Möbel mit der Stadtgeschichte Berlins zu tun? Inventarbucheinträge zeigen: Die Herkunft der Möbel ist eng mit Berlin und Paris verwoben. Eine unter einem Tisch in Bleistift angebrachte Inschrift „abgesandt Paris 13.VII.1943“ führt uns in das von den Deutschen besetzte Frankreich zurück: Die Möbel kamen zur Ausstattung der Räume der Reichsbank aus Paris nach Berlin. Sie überdauerten den Zweiten Weltkrieg in den Gebäuden der ehemaligen Reichsbank in Berlin-Mitte, deren Nutzer in der Nachkriegszeit rasant wechselten: Sowjetische Kommandantur, Stadtkontor Berlin und Ministerium für Finanzen der DDR. Schließlich kam es zum Transport in das Märkische Museum.


Zweiteiliger Sessel mit Fußbank, lindgrüne Seide und vergoldete Delphine © Stadtmuseum Berlin | Foto: Stefan Petri

Unsere aktuelle Forschung zur Geschichte der Möbel geht chronologisch rückwärts und berücksichtigt neben Inventarbüchern, Chroniken, Fotografien und Akten auch jedes Merkmal, das wir an den Möbeln finden: verschiedene Nummern, Aufkleber, Stempel, Namen der Kunsttischler und handschriftliche Notizen. So befassen wir uns nicht nur mit der Sammlungsgeschichte am Haus, mit der DDR-Geschichte und der Berliner Nachkriegszeit. Die Spuren führen uns auch zurück bis in die Zeit des Nationalsozialismus und bis zur Herstellung der Stücke in Frankreich. Alle Erkenntnisse werden nach und nach wie ein Puzzle zusammengesetzt und helfen dabei, die entscheidenden Fragen beantworten zu können: Stehen die Möbel womöglich in Zusammenhang mit unrechtmäßigem Entzug während der Pariser Besatzung und wer sind die rechtmäßigen Eigentümer der Möbel?

Eine geschnitzte Truhe mit Klauenfüßen wird im Depot untersucht © Stadtmuseum Berlin | Foto: Regina Stein

English Version

For the “Tag der Provenienzforschung" 2022 in Germany, take a peek behind the scenes at a current research project at the Stadtmuseum Berlin: provenance research on the so-called “Reichsbank” furniture. These 47 pieces include ornately decorated French antiques from the 18th and 19th centuries, sculptural commodes and secretaries with lavish marquetry and bronze mounts, armchairs and sofas upholstered with intricate floral embroidery, meters-long banquet tables with golden engraved edges, and much more.

The Märkisches Museum received this disparate set in the early 1950s from the GDR’s Ministry of Finance. But what does French furniture have to do with Berlin history, and why would the young fiscal bureaucracy have dozens of foreign antiques? A penciled note on the interior rim of a table gives the first hint: “sent from Paris 13.VII.1943.” At least some of this enigmatic furniture was bought in occupied France and brought to Berlin in order to decorate the Reichsbank, which was to serve as an ostentatious centerpiece of the Nazi capital. After Nazi Germany’s defeat, the old bank housed first Soviet headquarters, then Berlin and GDR financial institutions. And, for a time, the furniture.

Our goal is to follow the path this furniture took to the Stadtmuseum Berlin in reverse, using clues in inventory books, old photographs and documents, and not least the more or less cryptic markings on the objects themselves. This research reveals insights into the historical periods it cuts across: the GDR and post-war Berlin, National Socialism, even monarchial France. Piecing together the scattered sources, we hope to be able to answer to the most important question: who are this furniture’s rightful owners?

An einer bauchigen Kommode werden Hinweise gesucht, die über die Herkunft des Möbelstücks Auskunft geben könnten © Stadtmuseum Berlin | Foto: Stefan Petri

Version française

A l'occasion de la « Tag der Provenienzforschung » 2022 en Allemagne, jetez un œil dans les coulisses d'un projet de recherche en cours au Stadtmuseum Berlin : recherche de provenance sur les meubles dits « de la Reichsbank ». Ces 47 pièces comprennent des antiquités françaises richement décorées des XVIIIe et XIXe siècles, des commodes sculpturales et des secrétaires avec de somptueuses marqueteries et des montures en bronze, des fauteuils et des canapés recouverts de broderies florales colorés, des tables de banquet de plusieurs mètres de long avec des bords gravés dorés, et bien plus encore.

Le Märkisches Museum a reçu cet ensemble disparate au début des années 1950 du Ministère des Finances de la RDA. Mais qu'est-ce que le mobilier français a à voir avec l'histoire de Berlin, et pourquoi un musée régional, dédié à l’histoire de Berlin et de Brandenbourg, aurait-elle des dizaines d'antiquités étrangères ? Une note au crayon sur le bas d'une table donne un premier indice : « envoyé de Paris le 13.VII.1943 ». Au moins une partie de ce mobilier énigmatique a été achetée en France occupée et apportée à Berlin afin de décorer les salles de la représentation de la Reichsbank. Après la défaite de l'Allemagne nazie, l'ancienne banque abrita d'abord le siège soviétique, puis le Stadtkontor de Berlin et le Ministère des Finances de la RDA. Et, pour quelques années, toujours les meubles.


Die Bleistift-Aufschrift „abgesandt Paris 13.VII.1943“, die unter einem Tisch gefunden wurde © Stadtmuseum Berlin | Foto: Stefan Petri

Notre objectif est de suivre le chemin parcouru par ces meubles jusqu'au Stadtmuseum à l'envers, en utilisant des indices dans des livres d'inventaire, des photographies et des documents anciens, et notamment les marques plus ou moins cryptées sur les objets eux-mêmes. Cette recherche révèle des éclairages sur les périodes historiques qu'elle traverse: la RDA et le Berlin d'après-guerre, le national-socialisme – et pour la fabrication des meubles aussi la France monarchique. En rassemblant les sources éparses, nous espérons pouvoir répondre à la question la plus importante: Qui sont les propriétaires légitimes de ce meuble?

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