Eduard Gaertner

Der Architektur-Maler Berlins

Wer sich vorstellen will, wie Berlin von etwa 1825 bis 1865 ausgesehen hat, kommt an den Bildern von Eduard Gaertner (1801–1877) nicht vorbei. Künstlerisch glänzend dokumentierte er die vor allem von Karl Friedrich Schinkels und Friedrich August Stülers Architektur geprägte Stadt. 

Doch Gaertner war  weit mehr als ein Architekturbild-Spezialist, als den man ihn zu seinen Lebzeiten sah: Er zählt zu den besten Malern von Stadtansichten seiner Zeit. In den Sammlungen des Stadtmuseums Berlin sind mehr als hundert seiner Zeichnungen, druckgrafischen  Arbeiten und Gemälde erhalten.  

Kindheit und künstlerischer Werdegang

Johann Philipp Eduard Gaertner, so sein voller Name, kam am 2. Juni 1801 als Sohn einer Goldstickerin und eines Stuhlmachermeisters in Berlin zur Welt. Als sein Vater infolge der napoleonischen Besetzung Berlins 1806 arbeitslos wurde, zog die Mutter mit ihrem Sohn nach Kassel, um dort zu  arbeiten. Hier erhielt er ersten Zeichenunterricht bei Franz Hubert Müller, dem späteren Direktor der Darmstädter Zeichenakademie. Mit dem Ende der napoleonischen Herrschaft 1813 kehrte seine Mutter mit Eduard nach Berlin zurück. Im Jahr darauf begann er eine sechsjährige Lehre als Porzellanmaler an der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM), die sich damals in der Leipziger Straße 4 befand. Nach dem Ende der Lehre arbeitete er dort ein Jahr als Maler, und 1821 trat er als Dekorationsmaler in das Atelier des Theater-Inspektors Carl Wilhelm Gropius ein.

Hof der Porzellanmanufaktur, Leipziger Straße 4, 1818. Diese Zeichnung des erst 17-jährigen Malerlehrlings zeigt schon seine früh entwickelte Fähigkeit zur Darstellung architektonischer Raumsituationen. © Stadtmuseum Berlin

Im Jahr darauf beteiligte sich Gaertner erstmals, mit einem Aquarell, an der Ausstellung der Akademie der Künste. Bis 1872 war er hier regelmäßig vertreten. Erste Aufträge des preußischen Königshauses ermöglichten ihm Studienreisen, so 1825 nach Paris, wo er sich etwa zweieinhalb Jahre aufhielt und künstlerisch weiterbildete. Weitere Reisen führten ihn in verschiedene Gegenden Deutschlands, nach Böhmen und – verbunden mit zwei längeren Aufenthalten – nach Russland. 1829 heiratete er Friederike Henriette Car(e), die Tochter eines Berliner Textildruckers. Aus der Ehe gingen zwölf Kinder hervor, die nicht alle das Erwachsenenalter erreichten.

Künstlerische Erfolge und Anerkennung

Am 1. März 1833 wurde Gaertner in die damals Königlich Preußische Akademie der Künste aufgenommen. In den 1830er und 1840er Jahren entstanden zahlreiche Gemälde und Zeichnungen, die ihn weithin bekannt machten. Sein wichtigster Auftraggeber war König Friedrich Wilhelm III. Für ihn und das preußische Königshaus entstanden vor allem repräsentative Ansichten der königlichen Schlösser in Berlin und Potsdam, darunter auch Darstellungen von Innenräumen.

Königsbrücke mit Königskolonnaden, Königstraße (heute Rathausstraße), 1835. Auf dem einstigen Festungsgraben verläuft jetzt die Stadtbahn am Bahnhof Alexanderplatz. Die Kolonnaden wurden 1910 an den Schöneberger Kleistpark umgesetzt. © Stadtmuseum Berlin

In zahlreichen Werken schilderte Gaertner zudem das bürgerliche Berlin, so beispielsweise die Straße Unter den Linden, die  Königsbrücke und die Königskolonaden (nahe dem heutigen Alexanderplatz), den Spittelmarkt, die Klosterstraße, die Parochialstraße und das dort pulsierende Leben. Als sein Hauptwerk gilt heute „Ein Panorama von Berlin, von der Werderschen Kirche aus aufgenommen“. Er malte die sechsteilige und rund sechs Meter lange Ansicht 1834; eine zweite Fassung entstand 1835/36 für den Zarenhof in St. Petersburg. In der Gemäldesammlung des Stadtmuseums Berlin befindet sich mit dem zweiteiligen Panorama von 1832 eine vorbereitende Studie.

Panorama von Berlin, um 1832 (Teil 1)

Panorama von Berlin, um 1832 (Teil 2)

„Panorama von Berlin, aufgenommen von der Friedrich-Werderschen Kirche“ (Berlin, um 1832). Das in drei Fassungen existierende Panorama ist Gaertners Hauptwerk. Es zeigt mit Blick nach Süden die vom Biedermeier geprägte preußische Metropole, in der damals etwa 250.000 Menschen lebten. © Stadtmuseum Berlin | Reproduktion: Oliver Ziebe

Viele Künstler haben der Nachwelt Bilder von „Spreeathen“ hinterlassen. Eduard Gaertner nimmt hier eine Sonderstellung ein. Wie keinem anderen gelang es ihm auf der Grundlage ausgewogener und teils ungewohnter Perspektiven, äußerste  Detailtreue mit dem Malerischen zu verbinden. In seinem Schaffen war er zugleich Künstler und Handwerker. Seine Werke zeichnen sich durch sorgfältigste und disziplinierte Ausführung aus, die auf jedes überflüssige Beiwerk verzichtet. Für seine Kompositionen nutzte Gaertner gelegentlich technische Hilfsmittel, wie die Camera obscura. In seinen späteren Lebensjahren entwickelte er zudem aus dem Blickwinkel des Malers ein Interesse an der neu aufkommenden Stadtbildfotografie. Dies belegt eine aus seinem Nachlass stammende Sammlung von Fotografien, die das Stadtmuseum Berlin zwischen 2004 und 2006 aus Gaertners Nachkommenschaft erwarb.

Ausklang

Mit dem Tod König Friedrich Wilhelms III. im Jahr 1840 verlor Gaertner seinen wichtigsten Auftraggeber. Der Nachfolger König Friedrich Wilhelm IV. bevorzugte eine historisch-idealisierte  Kunst und  berief dafür auch auswärtige Künstler nach Berlin. Die bisher vorherrschende, eher bescheidene und nüchterne Auffassung der Schinkelzeit verlor zunehmend an Einfluss – und Aufträge aus dem Herrscherhaus blieben für Gaertner aus. Er musste sich neue Aufgaben suchen. Auf Reisen durch die deutschen Lande entstanden in den folgenden Jahren viele Zeichnungen und Gemälde von Stadt-, Architektur- und Landschaftsmotiven.

Barrikade in der Breiten Straße, 1848. Die gespenstisch anmutende, menschenleere Barrikade lässt Schrecken und Ungewissheit anklingen, die auch Eduard Gaertner angesichts der Revolutionskämpfe empfunden haben muss. © Stadtmuseum Berlin

Bei aller ungebrochenen Schöpferkraft musste Gaertner Zugeständnisse an den Zeitgeist machen, um seine Arbeiten weiterhin verkaufen zu können. So steigerte er beispielsweise die Farbigkeit seiner Bilder oder fügte seinen Motiven schmückende kleine Szenen hinzu. Mit Beginn der Gründerzeit verließen Gaertner und seine Frau 1870 Berlin, um sich im abseits gelegenen Flecken Zechlin bei Neuruppin niederzulassen. Kränkelnd und nahezu erblindet, starb er hier am 22. Februar 1877. Die Beisetzung fand auf dem Dorffriedhof statt. Seine Frau folgte ihm 1880.

Vergessen und wiederentdeckt

In der prunkverliebten Wilhelminischen Epoche gerieten Gaertner und sein Werk zunehmend in Vergessenheit. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann man sich an den Künstler zu erinnern. Seine Werke waren nun gelegentlich wieder in Ausstellungen zu sehen. In den 1960er und 1970er Jahren rückten Ausstellungen im Märkischen Museum und im Berlin Museum Gaertner in ein neues Licht. 1979 veröffentlichte die damalige Direktorin des Berlin Museums, Irmgard Wirth, erstmals eine wissenschaftliche Einzeldarstellung über ihn. Sie enthält ein Verzeichnis aller seiner bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Werke. 

Zum 200. Geburtstag des Künstlers präsentierte das Museum Ephraim-Palais im Frühling 2001 die umfangreiche Ausstellung „Eduard Gaertner 1801 – 1877“.  Hier wurden seine Stellung in der Malerei des 19. Jahrhunderts, die Qualität seiner Arbeit und die Originalität seiner Kunst zum ersten Mal in vollem Umfang gewürdigt. Zu sehen waren mehr als 220  Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und druckgrafische Arbeiten, darunter zahlreiche, auch internationale Leihgaben. Bis heute zählt die Schau zu den am besten besuchten und erfolgreichsten Ausstellungen des Stadtmuseums Berlin.

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