05.10.2021

Sabine Herrmann im „Kunstraum Kraut“

Dritte Variation zur Auferstehung im Museum Nikolaikirche

Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte „Auferstehung Christi“ in der Kraut-Kapelle des Museums Nikolaikirche ist ab dem 5. Oktober in einer Interpretation der Künstlerin Sabine Herrmann zu sehen.

Das Bild ist Teil einer Serie von sieben Variationen zum Thema Auferstehung, nacheinander präsentiert von sieben Künstlerinnen und Künstlerin im „Kunstraum Kraut“. In diesem Projekt geht es darum, sich dem Denkmal künstlerisch anzunähern und sich aus zeitgenössischer Sicht mit einer historischen Fehlstelle auseinanderzusetzen. Dabei geht es nicht darum, diese zu rekonstruieren, sondern zu kommentieren und eine Raumsituation zu erarbeiten, die das Thema des verlorenen Bildes in der Kapelle Kraut, die Auferstehung Christi, im Blickwinkel von heute zu interpretieren.

Sabine Herrmann vor „noli me tangere“ © Klaus Killisch, VG Bildkunst

Noli me tangere

Zu den biblischen Geschichten zur Auferstehung gehört die Begegnung des Erlösers mit den Frauen. Als Maria Magdalena in der Erzählung des Evangelisten Johannes am Morgen des Ostertages das Grab von Jesus leer vorfindet, wendet sie sich an einen Mann in der Nähe. In ihm erkennt sie den Totgeglaubten erst, als er sie beim Namen nennt. Maria Magdalena will Jesus umarmen, doch er weist sie mit den Worten „noli me tangere“ (berühre mich nicht) ab. Interessant sind die unterschiedlichen historischen Übersetzungen und Deutungen dieser Erzählung. Alle spielen auf die Frage nach der wirklichen Anwesenheit des auferstandenen Jesus Christus an. Auch der Maler des zerstörten barocken Wandbildes hatte den Widerspruch von dessen anwesender und zugleich abwesender Körperlichkeit angedeutet, indem er ihn über dem Boden schweben ließ.

Das christliche Erlösungsversprechen wird von Sabine Herrmann im Sinne des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel zu einem zeitgemäßen Entwurf spiritueller Existenz umgedeutet. Sie ersetzt eine Abbildung des „Unbegreiflichen“ durch die in Licht und Farbe aufscheinenden Worte „noli me tangere“. Auf diese Weise nähert sie sich der Fehlstelle im historischen Raumkonzept an.

Ihr Malprozess ist eine wiederkehrende Beschäftigung mit historischen Maltechniken: selbstangerührte Pigmente und eine besondere Schichttechnik, die sich auf großen Papierbahnen ausbreitet. Mit Vertreiberpinsel, Schwamm und Bürste und gelegentlich sogar nur mit den Händen werden die gelösten Farb-Pigmente aufgebracht und in das Büttenpapier eingetragen. Die Bilder gewinnen dadurch eine atmende Oberfläche. Im Zentrum dieser Technik steht die intensive Auseinandersetzung mit Farbklängen. Die Malerei lässt sich somit als vielschichtiger Erinnerungsvorgang lesen.

Mehr über die Künsterlin unter: www.sabine-herrmann.eu

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