Titelblatt des Mappenwerks „Um Berlin“
 

Im Grünen

Um Berlin, Teil 6

Mit der Schaffung von Groß-Berlin im Jahr 1920 verfügte die Stadt über ein ausgedehntes Wald- und Seengebiet, das den Menschen der Metropole bis heute viele Möglichkeiten zur Erholung und Entspannung bietet. Über ein gut ausgebautes Nahverkehrsnetz war zum Beispiel der Grunewald als traditionelles Jagd- und Wandergebiet schnell zu erreichen.

Einen Eindruck von Ruhe und geistiger Vertiefung vermitteln zwei Zeichnungen von Jakob Steinhardt, der seine Frau Minni lesend im Wald und den Malerfreund Friedrich Feigl zeichnend am Großen Wannsee darstellte. In Julie Wolfthorns Aquarell versinkt eine Ausflugsgaststätte an einem See nahezu im herbstlichen Grün eines Waldes. „Bei Mutter Grün“ ist der Titel einer Lithografie von Hans Baluschek. Dieser Titel passt jedoch auch als Synonym für die tausenden Kleingärten und die Laubenkolonien, in denen sich viele Berlinerinnen und Berliner mit und ohne Familien erholten – und zugleich ihr eigenes Gemüse und Obst anbauten. Sinnbildlich dafür steht Hans Baluscheks gebrauchsgrafischer Entwurf für das Diplom des Reichsverbandes der Kleingartenvereine Deutschlands.

Bei Mutter Grün (um 1925)
Lithografie von Hans Baluschek (1870–1935) © Stadtmuseum Berlin
Hans Baluschek schildert in seiner keinem bestimmten Ort zuzuordnenden, gleichwohl auf Berlin bezogenen Darstellung eine für seinen sozialkritischen Ansatz charakteristische Situation: Erholungssuchende, dem Äußeren nach den arbeitenden bzw. unteren sozialen Schichten angehörend, haben sich unter schattigen Bäumen an einem Gewässer zusammengefunden. Ihren Alltag bestimmt die harte Arbeit, als deren Symbole die rauchenden Schlote der Fabriken am gegenüberliegenden Ufer erscheinen.  

 

Diplom des Reichsverbandes der Kleingartenvereine Deutschlands (um 1925)
Farblithografie von Hans Baluschek (1870–1935) © Stadtmuseum Berlin
Der Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschlands wurde am 14. August 1919 in Bremen gegründet. Baluscheks Entwurf für das Diplom dokumentiert den Aufschwung des Kleingartenwesens in der Weimarer Republik. Die von Berliner Motiven inspirierte Darstellung weist auf die große Bedeutung hin, die die Laubenkolonien und Kleingärten für die Erholung und Selbstversorgung breiter Bevölkerungsschichten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben.

 

Am Wannsee (um 1915)
Kaltnadel-Radierung von Paul Paeschke (1875–1943) © Stadtmuseum Berlin
Im umfangreichen Werk des vor allem als Zeichner und Grafiker hervorgetretenen Berliner Künstlers Paul Paeschke hat die Darstellung des naturbelassenen Umlandes einen großen Anteil. Mit virtuosen und schwungvollen Strichfolgen schildert er in der vorliegenden Grafik das sommerliche Treiben am Strandbad Wannsee. 1929 bis 1930 entstanden hier nach Planungen des Stadtbaurats Martin Wagner und Entwürfen des Architekten Richard Ermisch das dem Neuen Bauen verpflichtete und bis heute genutzte Strandbad Wannsee als modernes Weltstadtbad.  

 

Vor Berlin (um 1912)
Radierung von Waldemar Rösler (1882–1916) © Stadtmuseum Berlin
In Röslers unspektakulärer Darstellung ist Berlin lediglich zu erahnen. Ein auf freiem Feld aufgestellter Mast einer Telefonleitung wirkt wie ein Vorbote künftiger Erschließung. Und tatsächlich sind im Hintergrund des Motivs Gebäude und Schornsteine als Symbole für Großstadt und Wachstum zu erkennen.

 

Der Maler Friedrich Feigl am Wannsee (1923)
Bleistiftzeichnung (laviert) von Jakob Steinhardt (1887–1968) © Stadtmuseum Berlin
Der aus Prag stammende Maler Friedrich Feigl war mit seiner Frau ab 1910 für einige Jahre in Berlin ansässig. Steinhardt portraitierte den Freund und Künstlerkollegen anlässlich eines gemeinsamen Besuchs am Großen Wannsee. Hier ging Feigl einer beide verbindenden, erholsamen wie auch kreativen Tätigkeit nach, dem Zeichnen. 

 

Minni im Wald lesend (1922)
Zeichnung (schwarze Kreide) von Jakob Steinhardt (1887–1968) © Stadtmuseum Berlin
Steinhardt heiratete 1922 Minni Gumpert, die er beim Berliner Verleger und Galeristen Wolfgang Gurlitt kenngelernt hatte. Der Künstler zeichnete seine junge Frau bei einem Ausflug in einen vermutlich im Berliner Umland gelegenen Wald.

 

Ausflugsgaststätte am See (um 1920)
Zeichnung (Bleistift, Aquarell) von Julie Wolfthorn (1864–1944) © Stadtmuseum Berlin
Das umfangreiche Werk von Julie Wolfthorn – 1898 Gründungsmitglied der „Berliner Secession“ und 1944 achtzigjährig im KZ Theresienstadt gestorben – wurde erst um 2000 wiederentdeckt. Ihr Aquarell zeigt ein stimmungsvolles Motiv aus dem Berliner Randgebiet. Unter dem herbstlich gelichteten Laubdach geht die Saison der von nur wenigen Gästen besuchten Ausflugsgaststätte an einem See ihrem Ende entgegen.

 

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